Hoi zäme, das isch miini chlini Wält... Ich freue mich über jede Gruess und jede Kommentar ciao ciao!

Mittwoch, 29. September 2004
manchmal wundere ich mich

und zwar darüber, wie mein Körper reagiert, bzw. wie er mein inneres Befinden wiederspiegelt.

Also, ich rauche. Manchmal mehr, manchmal weniger. Ja ich weiss, dass es schädlich ist. Aber ich weiss auch, dass bei uns in der ganzen Familie starke Raucher waren, die allesamt steinalt wurden. Ich muss mich mehr vor Hautkrebs schützen. Anyway, zu Hause rauche ich praktisch nicht, das nur, um mich selbst zu disziplinieren, dass ich nicht zuviel rauche.

Wenn es mir schlecht geht, also vor allem psychisch, wenn ich angespannt bin, auch wenn mir dies im Moment gar nicht bewusst ist, dann greife ich viel öfters zum Glimmstengel, weil ich richtig ein körperliches Bedürfnis nach Nikotin oder den anderen Scheusslichkeiten habe.

Genau das ist in den letzten drei Jahren geschehen. Mein Konsum hat dauernd zugenommen, auch wenn ich mir dies nicht eingestehen wollte. Logisch: mit dem Freund die ganze Zeit Stress, mal abgesehen davon dass er mich nach Strich und Faden verarschte und halt die typischen Ansichten eines zurückgebliebenen Süditalieners den Frauen gegenüber hatte. Was ich leider erst viel zu spät bemerkt habe. Merkwürdig, denn eigentlich reagiere ich auf solches Benehmen extrem allergisch. Kam meine Situation am Arbeitsplatz dazu, wo ich einen Chef hatte, der ebenfalls extrem altmodische Ansichten bezüglich der Rollenteilung von Mann und Frau hat, und dies ganz offensichtlich auf Grund seiner Religion, denn er ist orthodoxer Jude. Seine Frau hat wie er Jura studiert, aber bereits während dem Studium das erste von 5 Kindern erwartet. Sie hat also eine Top-Ausbildung, hat aber selber nie gearbeitet. War immer nur für Haushalt und Kinder zuständig und so auch entsprechend ein richtiges keifendes Weib geworden, unzufrieden und neidisch auf jede Frau, die in der Kanzlei ihres Mannes arbeitete.

Naja, der langen Rede kurzer Sinn: ich war wohl die loyalste in der ganzen Kanzlei, die, die man multifunktionnel einsetzen konnte, also von Babysitter über Sekretärin bis zur Stellvertreterin vor Gericht. Ja ja, aber der Lohn war immer tiefer als in anderen Kanzleien, ich musste sogar kämpfen, denselben Lohn wie mein Bürokollege, männlich, zu kriegen, der erst drei Monate nach mir eingestellt wurde. Und während den 4 Jahren, die ich dort verbracht habe, hatte er immer die besseren, die interessanteren, die komplizierteren Fälle. Einmal darauf angesprochen, sagte mir mein Chef direkt an den Kopf, dass ich die Frauenarbeiten zu verrichten habe, wie zum Beispiel Scheidungen, Arbeitsrecht und Mietsrecht. BINGO!! Und das von einem Anwalt...

Naja, und da ich erst vor etwa einem Jahr aus meiner Depression erwacht bin - gedankt sei meiner Psychiaterin und ihren nach Kompendium eigentlich viel zu hohen Dosierungen der Antidepressiva - konnte ich vorher auch den Job nicht wechseln, da erstens kein Antrieb vorhanden ("ich kann nicht wollen") und zweitens mein Selbstbewusstsein zu klein war, und ich eigentlich dachte, dass sämtliche Stellenanzeigen viel zu hohe Anforderungen stellen, die ich eh' nicht erfüllen könnte.

Auf jeden Fall habe ich in dieser Zeit, in der niemand mir wirklich das Gefühl gab, etwas Wert zu sein, gekoppelt mit meiner depressiven Unsicherheit immer mehr geraucht. Kaum war ich von dieser Stelle fort, und hatte meinen Ex-Freund definitiv in den Wind geschossen, und war mehr oder weniger symptomfrei bezüglich der Krankheit, da rauchte ich wie automatisch viel viel weniger. Ich war ruhig, nicht nur äusserlich, sondern offensichtlich auch innerlich.

Ganz deutlich wurde mir das erst, als ich vor etwa zwei Monaten mit den ehemaligen Büroinsassen essen war. Mein Bürokollege (der der immer vorgezogen wurde) fragte mich urplötzlich, ob ich denn aufgehört habe zu rauchen. Ich guckte ihn ganz erstaunt an und überlegte erst, weshalb er mich das fragt. Und dann ist mir ein Lichtlein aufgegangen und ich habe ihn aufgeklärt. Nämlich dass ich kaum mehr das Bedürfnis verspüre, den Glimmstengel anzuzünden, seit ich aus der Kanzlei raus bin, und dass es sogar so geblieben ist, auch wenn ich mich auf eine ziemlich schwere Prüfung hatte vorbereiten müssen. Da grinste er nur und zuckte mit den Schultern und meinte, dass dies ja nicht verwunderlich sei.

Vielleicht nicht, aber mir wurde es zum ersten Mal so richtig bewusst, wie ich mich vier Jahre lang unnötig gequält habe, und dies von zwei Seiten: Freund und Arbeit. Logisch, zu Hause hatte ich natürlich Unterstützung, aber das reicht einfach nicht mehr aus.

Dann, letzten Winter begann ich, einmal die Woche ins Fitness zu gehen, so als Ausgleich zum dauernden Stuhldrücken während der langen Lernphasen (tatsächlich, ich, die eigentlich jeder Art von Sport immer weit aus dem Wege ging). Und ich entdeckte noch etwas: nämlich dass ich nach auch nur einer Stunde Sport keine Zigarette mehr rauchen kann. Im Gegenteil, manchmal hatte ich vielleicht noch Lust dazu, ich steckte mir also eine an, machte den ersten Zug und schmiss das Teil gleich wieder weg, weil es sooooooooooooooooooooooowas von eklig schmeckte, dass es mir fast den Magen umdrehte.

Unterdessen kann es vorkommen, dass ich drei, vier Tage am Stück keinen Glimmstengel anfasse, da mein Körper einfach keine Lust dazu hat.


Fazit: wenn es mir innerlich, psychisch, aber auch physisch gut geht, ekelt mich Zigarettenrauch, und es würgt mich, wenn ich auch nur einen Zug mache. Oder umgekehrt, wenn ich es nicht fertigbringe, zu rauchen, geht es mir einfach zu gut!

Ja, das mag nicht gerade eine weltbewegende Erkenntnis sein, aber für mich macht es Sinn, dies niederzuschreiben. Als Erinnerung, als Mahnung, oder einfach als Rückblick auf ein paar ziemlich krassen Jahren. Ist doch gut, gibt es blogs, die eh' nie jemand liest :-p

Und falls doch, das obige Zitat ist der Titel eines äusserst eindrucksvollen Buches 'meiner' Psychiaterin, die Erlebnisberichte ihrer Patienten gesammelt und kommentiert hat.
Ich kann nicht wollen!
Berichte depressiver Patienten
Brigitte Woggon
Verlag Hans Huber, Bern


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» Thema: Depression